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junge norddeutsche philharmonie

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admin

Ein Monat nach der Jubiläumstour Was bleibt? Eine Reminiszenz

admin · 11. September 2020 ·

Eine riesiger Berg Fotos, stundenlange Aufnahmen von Interviews, lustige Erinnerungen an Mittagessen im See (ja, ihr habt richtig gelesen), ein kaputter Benz, morgendliches (und abendliches) Zähneputzen in einem Bürogebäude, inspirierende Gespräche, tolle Ideen für die Zukunft und Dankbarkeit für alle  Menschen, die mit Herzblut dieses Projekt über 10 Jahre zu dem gemacht haben, was es heute ist.

Und jetzt? Was stellt man mit all diesem Material an? Und noch wichtiger – wie führt man all diese Gedanken und Ideen von Ehemaligen und Aktiven so zusammen, dass daraus konkrete Pläne für die Zukunft entstehen?

Als Fotografin bin ich ehrlich gesagt froh, nicht alles Material sortieren zu müssen, sondern nur einen rückblickenden Bericht zu schreiben.

Beginnen wir also ganz vorne. Diesen Sommer kamen aus bekannten Gründen ausnahmsweise keine Musiker zum Projekt, sondern das Projekt in Form einer Team-Delegation zum Orchester. Einen Monat fuhr das „jnp-Mobil“ (in wechselnder Ausführung) durch ganz Deutschland und machte in verschiedenen Städten halt, um einerseits Interviews mit Wegbegleitern der jnp zu führen und andererseits der aktuellen Generation bei gemütlichen Treffen im Park die Möglichkeit zu geben, sich trotz der momentanen Situation doch einmal wieder zu sehen und auszutauschen.

In wechselnder Besetzung (außer Konstantin, den man nach einem Monat Tourleben auch schon mal am helllichten Tag schlafend im Park antraf) fuhr das „jnp-Mobil“ durch Deutschland. Vier Fotografen:innen wechselten sich ab, um die Tour zu begleiten und die Interviewpartner für ein Jubiläumsbuch zu portraitieren. Da ich selbst zwei Sommerphasen bei der jnp mitgespielt habe, Oboe studiere und mir grade ein zweites Standbein als Fotografin aufbaue, freute ich mich riesig, meine Interessen im Rahmen dieser Aktion auf so elegante Art und Weise miteinander verbinden zu können. Die Freude wuchs noch mehr, als die Info kam, dass für den letzten Teil der Reise, den ich begleitete, ein alter Mercedes plus Wohnwagen mit von der Partie waren. Bei so einem Oldie gehört es dann aber eben auch mit zum Flair, dass er bei großer Sommerhitze und mehr als 2500 gefahrenen Kilometern in 5 Tagen den Geist aufgab und wir grade noch so auf den Parkplatz einer Autowerkstatt rollen konnten.

So viele Erlebnisse, so viele Geschichten – zu viele, um sie in einem Beitrag unterzubringen. Wir haben gesammelt, um sie nach und nach mit euch zu teilen. Ein paar Bilder sprechen aber hoffentlich schon für sich.

(c) Sophia Hegewald

Jedoch sind wir nicht nur mit lustigen Anekdoten nach Hause gekommen, sondern vor allem mit viel Stoff zum Nachdenken. Es war faszinierend zu sehen, was für spannende Gespräche entstehen, wenn man einen Rahmen dafür schafft. Ab dem Moment, in dem die Aufnahme für ein Interview gestartet wurde, bekam das Gespräch eine ganz andere Tiefe und wir waren jedes Mal froh, den Weg auf uns genommen zu haben, egal wie weit er war.

Zu sehen, wie unterschiedlich Lebenswege verlaufen und wie jeder auf seine Art und Weise an das Leben heran geht und seinen Platz findet, war wahnsinnig schön und auf eine gewisse Art und Weise beruhigend.

Im Musikstudium bekommt man schnell das Gefühl, dass es nur den einen möglichen Weg gibt, den man erst einmal versucht zu gehen. Wenn das nicht funktioniert, scheint man versagt zu haben. Doch ich habe so viele unterschiedliche Geschichten wie Menschen kennen gelernt. Für den einen ist ein Platz im Musikkorps der Bundeswehr der perfekte Arbeitsplatz, die andere würde niemals eine feste Stelle wollen, sondern sich lieber eigene Projekte suchen. Die nächste kann ihre Fähigkeiten ohne Musikstudium viel besser entfalten und wieder ein anderer ist mit seinem klassischen Orchesterjob vollkommen glücklich. Es gibt nicht den einen Weg und vor allem gibt es nicht den besseren oder schlechteren. Ich glaube, dass für viele die jnp genau der Ort war, heraus zu finden, wo die eigenen Stärken jenseits der Musik liegen.

Und auch nur durch all diese vielfältigen Menschen und ihre Interessen konnte die jnp zu dem werden, was sie heute ist.

(c) WFG/Marcel Alber

Den Mut zu schöpfen, etwas anders zu machen und zu sehen, wie sich eine neue Generation an Musikern entwickelt, die aus den gewohnten Mustern ausbrechen will, stimmt mich hoffnungsvoll. Was die meisten Lebensgeschichten gemeinsam hatten, war, dass sie keine gradlinigen Lebensläufe sind, sondern spannende Wege mit Höhen und Tiefen, Abzweigungen gesäumt von Ereignissen, auf die man reagieren muss oder zumindest kann.

Letztendlich ist ja auch diese Tour eine Reaktion auf ein Ereignis, das niemand hat kommen sehen. Ohne die Corona-Pandemie hätte sich niemals jemand einen Monat lang auf die Reise begeben, um Leute zu besuchen und Gespräche zu führen über das, was war und das, was kommen könnte. Und nie hätten wir diese vielfältigen Geschichten gehört und die Zeit gehabt, in Ruhe darüber nachzudenken, was in Zukunft aktiven und ehemaligen Mitgliedern geboten werden und vor allem mit ihnen entwickelt werden kann.

Ich glaube, dass diese Tour genau richtig war, um nach 10 Jahren erst einmal in Ruhe zuzuhören und Inspiration zu sammeln. In jedem Fall bin ich gespannt, was aus all diesen Geschichten und Anregungen wird und freue mich auf alles, was kommt.

Beitrag von Sophia Hegewald

Fotos von Sophia Hegewald

Wenige Tage vor der 10 Jahre jnp Jubiläumstour // Memo an mich selbst am 7.7.2020

admin · 14. Juli 2020 ·

Seit bald vier Monaten ist mein Bewegungsradius mit wenigen Ausnahmen auf Berlin und Umland beschränkt. Ich habe mir vor dem Hintergrund der Corona-Erfahrung mehrfach geschworen, nicht mehr kurz in eine andere Stadt zu pendeln, um bei einem Konzert oder einem Gespräch dabei zu sein. Geht alles auch digital, Berlin ist auch nicht arm an Angeboten und mein Leben hat sich normalisiert – manchmal etwas zu ruhig, aber was beschwere ich mich. Ruhe hatte ich in den letzten Jahren eher weniger und es ist okay, was ich habe: Kühlschrank voll, Gesundheit, ein Team, einen Freundeskreis, sogar ein teures Fahrrad.

Dass unser Ding aktuell nicht geht – geschenkt. Die jnp wird 10 und wir haben ohne Projektstress Zeit, Ahnenforschung zu betreiben. So sitze ich nach kurzem Zwist mit meinem neuen Leben spontan im Zug nach Lüneburg, um zwei richtig gute Freunde zu treffen: Joosten und Jakob, die ihr erstes Konzert seit März spielen werden.

Ich treffe sie nach der Probe und vor dem Konzert in St. Johannis. Hier habe ich 2008 beim Weihnachtskonzert mit dem Bundespräsidenten im Niedersächsischen Landesjugendorchester Posaune gespielt und, wie wir schnell feststellen, war auch Joosten Ellée  aus Leer an der Geige dabei. Jakob Nierenz wiederum ist ein Kumpel meines ehemaligen Sitznachbarn im Blechbläserquintett. Jakobs Vater ist in Lüneburg Musikschulleiter, seine Mutter Geigenlehrerin und so wurde Cellist Jakob zu einer Institution der norddeutschen Jugendorchester. Sofort sind wir mittendrin, verstehen uns wie immer und gleichzeitig sind umfassende Updates angesagt: „Was, Du wohnst wieder in Bremen, kein Frankfurt mehr?“ – „Ja weißt Du, die Luft ist im Norden ne ganz andere“.

Jakob hat im Jahr 2010 den Aufruf „junge norddeutsche philharmonie – Mahler 5 & 8 – jetzt bewerben!“ auf Facebook gesehen, sich nicht lange bitten lassen und sich für die jnp beworben. Lebendige Erinnerungen an Kacke bauen in Neubrandenburg und enorm witzige Bekanntschaften werden serviert, sowie den Fakt, dass er als echtes Urgestein nach einem rundum überragenden Projekt mit Strauss‘ Heldenleben seinen damaligen Bremer WG-Buddy auf die jnp-Bewerbungsseite gelotst hat. Es ist der Joosten, welcher mich später ins jnp Team holen und damit meine (nicht-)Studienzeit schwer beeinflussen wird.

Joosten Ellée (c) Melk Holm

Die beiden sind mein Auftakt in die Jubiläumswochen, in denen wir den jnp-Alumni und wichtigen Unterstützer:innen folgen möchten, um zu verstehen, was in 10 Jahren jnp geschehen ist, was sich innerhalb unseres Netzwerks entwickelt und bei unseren Leuten seitdem getan hat. Jakob und Joosten haben ihren Platz im jnp-Museum sicher, da sie ihren Traum eines eigenen Kammerorchesters – inspiriert von Bremer Einflüssen – zur richtigen Zeit bei den jnp-Gründern platziert haben. Heute sind die beiden Musiker sowie Kulturunternehmer, als Konzertmeister bzw. Solo-Cellist des Kammerorchesters ensemble reflektor. Wir reden darüber, wie die Projekte jnp und ensemble reflektor sich fast gegenseitig kannibalisiert hätten, finanziell zeitweise unter Meereshöhe gefahren sind, wie die Trennungsschmerzen erlebt und verarbeitet und wie die Ausgliederung dennoch umsichtig und mit Unterstützung aus jnp-Kreisen bewerkstelligt werden konnte. Sie packen ungefragt auf den Tisch, dass sie aus ihrer jnp-Zeit viele Dinge mitgenommen haben. Eine Auswahl:

  1. Falsch anfangen und schnell daraus lernen, anstatt eine Idee kaputtzudenken
  2. Am Traum festhalten, mit Freund:innen arbeiten zu dürfen
  3. Gelebte Offenheit („es ist so leicht, exklusiv zu sein…“)
  4. Freude und Selbstbewusstsein bei der Zusammenstellung der Programme, der Einflussnahme auf den Konzertkontext, der Organisation des Ablaufs

Es ist mehr als ich erwartet habe und vor allem alles außer „Bühnenerfahrung“. Es sind Antworten auf die Frage, wie sie als Musiker:innen leben und arbeiten möchten. Wir jnp’ler:innen sind zumindest ein bisschen Rollenvorbild für zwei der coolsten Musiker:innen ihrer Generation. „Was kann unser Netzwerk heute für die beiden sein?“ – frage ich mich, bevor das Konzert beginnt.

Jakob Nierenz (c) privat

Mit dem Konzert beginnt meine zweite Erfahrung des Tages. Ich werde daran erinnert, dass ich ein längeres Alleinsein mit meinen Gedanken fast ausschließlich im Konzert erlebe. Im Alltag nehmen mich die Arbeit, das Smartphone, die Zeitung oder die Wohnung nach wenigen Minuten gefangen. Zwischen meinen Ohren blubbert es unablässig und nur im Konzert muss ich zuhören – dann höre ich auch mich selbst. Ich habe in den vergangenen Monaten vergessen, wie sehr mir diese Ruhe zum nachdenken bzw. dem mir-selbst-zuhören fehlt. Ich bin dankbar, dass ich diese Erfahrung wieder machen darf.

Und die Musik! Selten hat mich klassische Musik mehr berührt, gekickt und aktiviert als heute. Das Programm und der Konzertablauf sind absolut geil kuratiert: Joosten und Jakob spielen miteinander und füreinander, ihre Solo- und Duostücke greifen in jeder Hinsicht optimal und ohne Unterbrechungen ineinander. Bereits ihre geschmackvollen Entscheidungen zum Programm und Konzertablauf machen mich glücklich: Die Auswahl der ineinander verschränkten Auszüge von Deprez, Bach, Britten, Schulhoff, Kurtag und Perkinson ist nicht abstrakt, nicht beliebig, sie ist ästhetisch enorm überzeugend und formt zwei klar durchdachte, kompakte Konzerthälften in einem Flow.

Joosten gesteht schon vor dem Konzert, dass er sich nicht erinnern kann, jemals so aufgeregt gewesen zu sein, Jakob hinterher: „das war extrem scary“. Ich bin enorm glücklich, dass es meine Freunde und Kollegen sind, die in einer Zeit mit wenigen kulturellen Live-Veranstaltungen für alle Anwesenden einen sehr wertvollen Moment schaffen konnten. Und noch mehr freut es mich, dass sie ihre Substanz auch auf unser Gemeinschaftsprojekt jnp zurückführen und dass wir uns bis heute immer wieder als Freunde und Kollegen begegnen.

Was können und wollen wir heute für die Generation Jakob & Joosten sein?

In den kommenden Wochen werden wir fast täglich solche Begegnungen erleben dürfen. Ich empfinde eine riesige Vorfreude auf eine – für jnp-Verhältnisse untypisch – leise, nachdenkliche, reflektierende Sommerzeit. Ich habe heute einen kleinen Eindruck bekommen, was wir in 10 Jahren jnp erreicht haben und nehme Fragen mit: Was können und wollen wir heute für die Generation Jakob & Joosten sein? Wie können wir die heute aktiven jnp’ler:innen mit den bereits gemachten Erfahrungen der jnp’ler:innen a. D. noch mehr unterstützen? Dieser Sommer ist die große Chance, das gewachsene jnp-Netzwerk in seinen Facetten und Kompetenzen neu kennen zu lernen. Dass daraus etwas Neues entsteht, werden wir wohl nicht verhindern können.

00:10 Uhr zu Hause, ich bin bleiern müde von knapp sechs Stunden Zugfahrt für ein Gespräch und ein Konzert – ohne Bürovormittag und Arbeit im Zug wäre es nicht drin gewesen. Merkt ihr selbst: Die Ruhe der letzten Monate wird eine Episode und ein frommer Wunsch bleiben. Unser Projekt ist nicht auf der linken Arschbacke groß bzw. 10 Jahre alt geworden. Freuen wir uns einfach, dass wir wieder unterwegs sein, extrem viele Leute wieder sehen, gemeinsam unseren Laden neu erfinden und irgendwann auch mal wieder zurück zu den Wurzeln kommen können: 100 Musiker:innen auf wahlweise 12x14m oder 10 Klassenräumen.

Beitrag von Konstantin Udert

Warum wir machen, was wir machen – Wie der Lockdown das Üben junger Musiker:innen beeinflusst

admin · 16. Juni 2020 ·

„Üben!“ ist wohl die häufigste Antwort, die ich während meines Musikstudiums gegeben habe, wenn ich gefragt wurde, mit was ich den Tag verbracht habe. Und: „Wie? Wirklich jeden Tag mehrere Stunden?“ wurde häufig gestaunt, wenn ich Studierenden anderer Fachrichtungen aus dem Alltag an der Musikhochschule erzählt habe.

Das Üben prägt den Tagesrhythmus von Musiker:innen enorm, kann Spaß machen, zusammenschweißen, sich zum Perpetuum Mobile entwickeln und einen manchmal in den absoluten Wahnsinn treiben. Meist hilft ein konkretes Ziel, um den Übealltag möglichst effektiv zu gestalten: ein Entwicklungsschritt, den man vor Augen hat, besondere Konzerte, tolle Projekte, Probespiele, Wettbewerbe… Doch was passiert, wenn die Pläne der nächsten Monate auf unbestimmte Zeit gestrichen und verschoben werden? Was macht das mit dem Übeverhalten und der Motivation junger Musiker:innen? Im Rahmen des #jnpsemester haben wir eine kleine Befragung durchgeführt.

Hat sich dein Übeverhalten seit Beginn des Lockdowns verändert?

Über 80% der Befragten beschreiben eine Veränderung des Übeverhaltens seit Beginn der Kontaktbeschränkungen. Wie genau diese Veränderung aussah, ist sehr unterschiedlich. Vermehrt wurden Motivationsschwierigkeiten, Ziel- und Strukturlosigkeit genannt, andere beschrieben ein wesentlich effektiveres Übeverhalten, da Anfahrtswege und Termine wegfielen. Es wurde „Rapide von 100 auf 0, läuft aber seit ca 3-4 Wochen wieder an“ oder „Anfangs habe ich sehr viel mehr geübt, dann wurde es mit der Motivation sehr schwierig. Jetzt ist es fast so wie vor Corona“ geantwortet.

Wie schätzt du deine Übe-Motivation ein?

Auch die Motivation der Befragten hat sich aufgrund der Coronapandemie deutlich verändert und zeigt ein breiteres Spektrum auf. Über 80% der Befragten schätzten ihre Motivation vorher auf einer Skala von eins (sehr niedrig) bis fünf (sehr hoch) mit vier oder fünf ein. Seither schätzen nur noch gut 30% der Befragten ihre Motivation so hoch ein. Während die niedrigsten beiden Stufen in Frage 1 kaum gewählt wurden, schätzen seit Beginn des Lockdowns über 40% der Befragten ihre Motivation mit sehr niedrig (1) oder niedrig (2) ein.

Auch auf die Frage, weshalb sich die Motivation verändert hat, wurde sehr unterschiedlich geantwortet. Mehrfach wurden fehlende Ziele, Konzerte und Orchesterprojekte genannt. Kurzer Einschub aus dem jnp-Hauptquartier: die Projekte und euch vermissen wir auch! Sehr!

Meine Motivation ist phasenweise sehr hoch, phasenweise niedrig. Das liegt an den fehlenden Zielen und Konzerten und dass ich nicht mehr bzw. begrenzt mit anderen musizieren kann, was das ist, das ich liebe am üben. Gemeinsam üben. Außerdem fehlt mir die Inspiration von anderen, die ich mir jetzt woanders suchen muss und der regelmäßige Input meines Profs und meiner Klasse.

Gründe für eine steigende Motivation wurden teilweise auch genannt: „Seit Corona hab ich mehr Zeit um entspannt zu Üben!“ heißt es beispielsweise, oder „Weniger Stress, Ruhe und Zeit zum Nachdenken“. Außerdem fragten wir die Musiker:innen nach ihren Top-Motivationstipps. Die Antworten zauberten mir ein Lächeln ins Gesicht. Vom völlig pragmatischen: „anfangen“ oder „Die Konkurrenz schläft nicht. Es gibt irgendwann wieder Konzerte!“ über konkrete Übepläne und Vorspiele für die Mitbewohner:innen bis zur Pausenbelohnung im jnp-Style „Kekse und Mate“.

Ich finde es wichtig, die Beziehung zur Musik aufrechtzuerhalten. Ich gehe gerne spazieren und höre dabei Musik oder spiele zu Aufnahmen und improvisiere. Außerdem tausche ich mich über Musik mit meinen Freunden aus, bitte sie, mir ihre Lieblingsstücke zu schicken und sende meine Lieblingsstücke weiter. Traurigerweise habe ich festgestellt, dass viele meiner Freunde fast gar keine Musik mehr hören.

Einen separaten ‚Arbeitsplatz‘ finden, und wenn es nur die Küche ist. Früh aufstehen und viele Pausen machen, die man mit leckerem Essen oder Rausgehen verbindet. Abwechslung in den täglichen ToDos

Routine! Dann fühlt sich der Alltag halbwegs ’normal‘ an. Und neben dem Üben auch Projekte durchziehen für die man sonst keine Zeit hat, wie Zimmer neu streichen, irgendwas kompliziertes backen etc.

Danke für den Einblick, den ihr uns in euren Alltag gewährt habt. Die Pandemie hat für unterschiedliche Entwicklungen im Üben gesorgt. Es ist aber schön zu lesen, wie man doch noch das Beste aus der Situation machen kann. Und traurig-glücklich macht es uns, davon zu lesen, dass die Projekte und Gemeinschaft fehlen. Genau für diese Gemeinschaft macht das Team nämlich, was es macht.

Wir wünschen euch, dass ihr es schafft, das Beste aus der Zeit zu machen und euch so sehr zum Üben motivieren könnt, dass es euch damit gut geht. Seid nicht zu streng zu euch selbst und genießt die Zeit, ohne schon wieder das nächste Probespiel im Hinterkopf zu haben, so gut es geht. Lest ein gutes Buch, macht Sport, nehmt euch Zeit für eure Liebsten, hängt einfach mal rum. Vielleicht lohnt es sich sogar, die eigenen Routinen eine Weile zu unterbrechen, um dann wieder mit neuen Eindrücken und frischem Kopf durchzustarten.

Beitrag von Nora Held
Titelfoto von Sophia Hegewald

Gustav Mahler ist einfach Bae – junge Musiker:innen und ihr Bezug zu Komponist:innen

admin · 26. Mai 2020 ·

„Gustav Mahler ist einfach Bae“ – ein flapsiger, scherzhafter Kommentar oder die Liebeserklärung an einen Komponisten, verpackt in den Sprachgebrauch eines jungen Musikers? Jedenfalls hat mich diese Aussage schmunzeln lassen, als wir von unseren Musiker:innen wissen wollten: Wie ist ihr Bezug zu Komponist:innen, mit deren Werken sie sich beschäftigen? Diese anonyme Umfrage haben wir im Rahmen des #jnpsemesters durchgeführt, ein Programm, das die Musiker:innen der jungen norddeutschen philharmonie während der Coronakrise begleitet.

Über welche drei Komponist:innen weißt du am meisten?

Mozart, Bach, Beethoven – mindestens 77% der Befragten haben sie als mindestens einen von drei Komponist:innen angegeben, über die sie am meisten wissen. Anhand der Ergebnisse hat sich auch gezeigt, dass je mehr sich die Musiker:innen mit den Lebensgeschichten von Komponist:innen beschäftigen, desto mehr Wissen erwerben sie auch über Komponist:innen, deren Lebensgeschichten weniger bekannt sind. Im Klartext heißt das: Wenn jemand etwa „Mozart, Bach, Beethoven“ als die drei Komponisten angegeben hat, über die er oder sie am meisten weiß, war das tendenziell eher eine Person, die sich weniger mit Komponist:innen beschäftigt. Natürlich ist das (so wie alles in diesem Text) nur Statistik und soll nicht heißen, dass man kein Musikkenner ist, wenn man ein Faible für diese drei Meister hat. Spannend fand ich das Ergebnis aber allemal.

Wenn ich mich mit der Biographie eines/einer Komponist:in auseinandersetze, tue ich das meistens, weil…

Bei dieser Frage wollte ich untersuchen, warum sich jemand mit Komponist:innen-Biografien auseinandersetzt und welchen Einfluss diese Gründe darauf haben, ob tatsächlich eine Auseinandersetzung mit den Komponist:innen stattfindet, an deren Werk sie gerade arbeiten. Allein die Ergebnisse in obiger Abbildung deuten bereits an, dass sich die Musiker:innen eher damit auseinandersetzen, wenn ihre Motivation dafür von innen heraus kommt, wenn sie selbst darauf Lust haben oder sie es wichtig finden. Darüber hinaus hat sich in den Antworten gezeigt: Musiker:innen, die Lust haben, sich mit Komponist:innen auseinanderzusetzen haben eine 50% höhere Wahrscheinlichkeit dies auch zu tun, als die Gesamtheit der Befragten.

Ich finde es wichtig, mich mit der Biografie des/der Komponist:in auseinanderzusetzen, deren Werk ich gerade spiele

5 = stimme vollkommen zu
1 = stimme überhaupt nicht zu

Ich finde es wichtig, mich mit der Entstehungsgeschichte und den Hintergründen des Werkes auseinanderzusetzen, das ich gerade spiele

Unabhängig davon, wie wichtig du es findest: Setzt du dich mit der Biografie des/der Komponist:in auseinander, deren Werk du gerade spielst?

… und mit der Entstehungsgeschichte des Werkes?

Knapp 70% finden es wichtig (Antwort ≥ 4), sich mit dem/der Komponist:in des Werkes auseinanderzusetzen, das sie gerade spielen. Bei der Entstehungsgeschichte des Werkes finden das sogar rund 85%. Für 42% der Befragten ist dabei die Entstehungsgeschichte eines Werkes wichtiger als die Lebensgeschichte des/der Komponist:in.

Für mich, als Bassistin, war es sehr interessant von der Legende von „El Drago“ (dem Bassisten/Kontrabassisten Domenico Dragonetti) zu hören, der angeblich damals Beethoven auf dem Bass vorspielte und diesen so beeindruckte, dass Beethoven daraufhin das große Bass(/Cello)-Solo in der 9. Sinfonie komponierte. Alles nur eine Legende, aber für uns Bassisten irgendwie doch eine schöne Geschichte!

– Musiker:in

Ich finde es immer spannend, Ähnlichkeiten zwischen den Lebensumständen und Erfahrungen des Komponisten und meinen eigenen festzustellen, weil es dazu führt, dass ich mich auf eine ehrlichere Art und Weise ausdrücken kann. Ein Stück zu spielen ist dann nicht mehr nur Storytelling, sondern eine authentische Erzählung von etwas, das ich selbst kenne und erlebt habe.

– Musiker:in

Allerdings setzen sich nur knapp 40% derer, die dies wichtig finden, tatsächlich mit dem/der Komponist:in auseinander. Kann man daraus schließen, dass sie sich weniger mit Komponist:innen beschäftigen, als sie es selbst gerne hätten? Knapp 80% der Befragten haben diese Lücke wohl erahnt und sind der Meinung, Musiker:innen sollten sich vermehrt mit der Lebensgeschichte von Komponist:innen beschäftigen.

Ich finde, Musiker:innen sollten sich vermehrt mit der Lebensgeschichte von Komponist:innen auseinandersetzen

Mir macht es Spaß, mich mit der Biographie von Komponist:innen auseinanderzusetzen

Doch wie gelingt der Zugang zum/zur Komponist:in am besten? Auch dazu haben unsere Musiker:innen ihre Geheimtipps geteilt. Neben Filmen und Büchern über Komponist:innen, den Austausch mit Lehrer:innen, sowie Werkseinführungen in Notenausgaben, hat mich ein Beitrag besonders überrascht:

Liebesbriefe von Komponisten zu lesen ist auch sehr augenöffnend. Aber leider kann man die Musik von manchen Komponisten nicht mehr so richtig genießen, wenn man erfährt wie eklig manche drauf waren.

– Musiker:in

Diese Erfahrung kann ich persönlich bisher noch nicht teilen, aber ich werde dazu recherchieren, ganz sicher! Darüber hinaus rät ein:e Musiker:in, sich auch Einblicke in Sprache und Kultur des/der Komponist:in zu verschaffen, da dies ebenso für die Tonsprache aufschlussreich sei.  

Wer noch den ein oder anderen Buchtipp dazu braucht: Unsere Musiker:innen empfehlen „Der Lärm der Zeit“ (Julian Barnes über Schostakowitsch) oder „Good Morning, Mr. Mendelssohn“ von Rosemarie Marschner.

Beitrag von Louise Engel
Titelfoto von Sophia Hegewald

Warum Teresa Lust auf Podcast hat

admin · 4. Mai 2020 ·

„Ein Podcast wäre doch vielleicht auch was…“ hörte ich Thomas als einen von 12 jnp-ler:innen in die Telefonkonferenz anlässlich der abgesagten Arbeitsphase #beethovenextended einwerfen. Der Vorschlag schlug bei mir ein wie… naja, fast wie Corona. Exponentiell breitete er sich in mir aus. Ich bin keine Mathematikerin, ich weiß nicht, wie sehr der Vergleich hinkt und davon, wie geschmacklos es ist, eine solche Idee mit diesem Virus zu vergleichen, will ich gar nicht erst anfangen – aber jedenfalls wurde ich gleich hellhörig und von Stunde zu Stunde beschäftigte mich die Idee mehr.

Für die jnp als Institution und Ort der Identifikation und Begegnung vieler Musiker:innen und Zuhörer:innen war schnell klar, dass die Coronakrise und damit die Absage aller Konzerte kein Grund zum Rückzug sein kann. Live-Konzerte können durch nichts ersetzt werden. Und gerade deshalb wollten wir als jnp in anderen Bereichen aktiv werden und die nun gezwungenermaßen frei gewordene Zeit in andere Projekte investieren, die uns interessierten. Thomas und ich hatten uns einmal vor Monaten gesehen, kurz gesprochen und Kisten mit Projekt Equipment in einen Keller geräumt im Rahmen eines Botschafter:innen-Treffens der jnp. Ein kurzes hin- und herschreiben nach besagter Telefonkonferenz und es war abgemacht: Thomas und ich ziehen das durch. Wir starten einen Podcast.

Das Podcast-Duo Teresa Raff und Thomas Pfaffinger
(c) Louise Engel

Wie so vielen Künstler:innen wurde auch uns durch die Maßnahmen im Bezug auf die Coronakrise plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen. Der Boden, der uns finanzielle Sicherheit ermöglicht und auf dem ein Teil unserer Identität fußt. Da wir noch studieren, plagen uns glücklicherweise bis jetzt weniger realitätsbezogene Existenzängste (danke Mama und Papa!!), natürlich rumort es aber auch in mir, wenn ich an freiberufliche Kolleg:innen denke. Was uns allerdings schon jetzt betrifft, ist die Frage der Identität des Künstlers/ Musikers ohne Bühne. Das Live-Konzert ist Zentrum unserer Tätigkeit. Auf dieses Ereignis ist all die Arbeit ausgelegt, die vorher erfolgt. Tägliches, stundenlanges Üben unseres Instruments als Grundbaustein, die Proben und der Austausch mit Kolleg:innen, das Reisen, das Kennenlernen verschiedener Städte, Konzerthallen oder Menschen: Am Ende steht immer ein Konzert. Nun fehlt dieses Ziel. Da kann es schon passieren, dass man sich seines Lebenssinns entzogen fühlt und sich die Frage stellt: Wofür lebe ich, wenn nicht für die Möglichkeit des Rauschs, die Atmosphäre im Konzertsaal, das Nicht-Sichtbare, den Applaus, die Liebe und Bestätigung, den nonverbalen Austausch mit anderen Musiker:innen oder dem Publikum, das gemeinsame Bier nach dem Konzert? Was bin ich ohne meinen Beruf?

„Es drängt sich die Frage auf, ob ich für das Konzept Konzert übe oder für den Selbstzweck der Musik.“

Man kann natürlich feststellen, dass ein paar Elemente unserer Tätigkeit immer noch möglich sind. Üben geht – vorausgesetzt, es geht zuhause. Doch wofür? Es drängt sich die Frage auf, ob ich für das Konzept Konzert übe oder für den Selbstzweck der Musik.
Edler wäre es, das Konzert nicht zu brauchen, den Applaus nicht zu brauchen, einfach nur erfüllt zu sein von der Musik an sich. Einfach an ihr zu arbeiten, um die Noten auf dem Papier zu interpretieren und zum klingen zu bringen. Ich kann von mir sagen, dass ich diesen Aspekt in jedem Fall schätze und es als persönliche Herausforderung sehe, mir diesen Selbstzweck wieder einmal bewusst zu machen. Doch es reicht nicht. Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe. Künstler:innen geben, nehmen und erleben diese Liebe oft auf der Bühne. Nun besteht eine Identität im gesunden Falle ja nicht allein daraus, Künstlerin zu sein. Doch wie geht man jetzt damit um, wenn man merkt: Ups, ich mache ja andere Dinge gerade viel lieber als zu üben? Die Frage stellt sich normalerweise nicht so oft, denn das nächste Konzert, ein bisschen Druck im Nacken, das gibt’s ja immer. Gerade stellt sich diese Frage jeden Tag: Ich kann jetzt üben… Ich könnte aber auch… Sollte mir meine übliche Tätigkeit denn nicht ein bisschen mehr fehlen? Warum bin ich viel lieber draußen, fange lieber an zu töpfern, lese lieber ein Buch über ein ganz anderes Thema, schreibe Texte, beginne einen Podcast? Was bin ich ohne meinen Beruf? Sehr viel. Das kann schön und gleichzeitig beängstigend sein.

hinter der bühne – der Podcast mit Teresa Raff und Thomas Pfaffinger

Solche Gedanken beschäftigen uns zu dieser Zeit ebenfalls. Und natürlich gab es am
Musiker:innenalltag auch schon vor Corona einiges festzustellen. Ob das nun amüsanter, zermürbender oder einfach angenehmer Natur ist – um diesen Kosmos kreist unser Podcast. Manchmal laden Thomas und ich auch einen Gast ein, um Einblicke in das Leben anderer zu gewinnen und zu ermöglichen. Die Idee des Podcasts hat mich, glaube ich, letztendlich wegen der Unmittelbarkeit dieses Formats und der dadurch entstehenden Nähe begeistert. Ganz abgesehen von meinem persönlichen Bedürfnis, sich auszutauschen, Neues zu erfahren und mit anderen zu teilen, hat der Klassikbetrieb gerade im Bezug auf Nahbarkeit meiner Meinung nach noch einiges vor sich. Ich würde durch diesen Podcast gern mehr Nähe herstellen, da klassische Musik mir selbst eben so nah geht. So versuchen Thomas und ich den Spagat aus Entertainment und Ernsthaftigkeit. Wer sagt eigentlich, dass sich das widersprechen muss?

Beitrag von Teresa Emilia Raff

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