„Ein Podcast wäre doch vielleicht auch was…“ hörte ich Thomas als einen von 12 jnp-ler:innen in die Telefonkonferenz anlässlich der abgesagten Arbeitsphase #beethovenextended einwerfen. Der Vorschlag schlug bei mir ein wie… naja, fast wie Corona. Exponentiell breitete er sich in mir aus. Ich bin keine Mathematikerin, ich weiß nicht, wie sehr der Vergleich hinkt und davon, wie geschmacklos es ist, eine solche Idee mit diesem Virus zu vergleichen, will ich gar nicht erst anfangen – aber jedenfalls wurde ich gleich hellhörig und von Stunde zu Stunde beschäftigte mich die Idee mehr.
Für die jnp als Institution und Ort der Identifikation und Begegnung vieler Musiker:innen und Zuhörer:innen war schnell klar, dass die Coronakrise und damit die Absage aller Konzerte kein Grund zum Rückzug sein kann. Live-Konzerte können durch nichts ersetzt werden. Und gerade deshalb wollten wir als jnp in anderen Bereichen aktiv werden und die nun gezwungenermaßen frei gewordene Zeit in andere Projekte investieren, die uns interessierten. Thomas und ich hatten uns einmal vor Monaten gesehen, kurz gesprochen und Kisten mit Projekt Equipment in einen Keller geräumt im Rahmen eines Botschafter:innen-Treffens der jnp. Ein kurzes hin- und herschreiben nach besagter Telefonkonferenz und es war abgemacht: Thomas und ich ziehen das durch. Wir starten einen Podcast.
Wie so vielen Künstler:innen wurde auch uns durch die Maßnahmen im Bezug auf die Coronakrise plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen. Der Boden, der uns finanzielle Sicherheit ermöglicht und auf dem ein Teil unserer Identität fußt. Da wir noch studieren, plagen uns glücklicherweise bis jetzt weniger realitätsbezogene Existenzängste (danke Mama und Papa!!), natürlich rumort es aber auch in mir, wenn ich an freiberufliche Kolleg:innen denke. Was uns allerdings schon jetzt betrifft, ist die Frage der Identität des Künstlers/ Musikers ohne Bühne. Das Live-Konzert ist Zentrum unserer Tätigkeit. Auf dieses Ereignis ist all die Arbeit ausgelegt, die vorher erfolgt. Tägliches, stundenlanges Üben unseres Instruments als Grundbaustein, die Proben und der Austausch mit Kolleg:innen, das Reisen, das Kennenlernen verschiedener Städte, Konzerthallen oder Menschen: Am Ende steht immer ein Konzert. Nun fehlt dieses Ziel. Da kann es schon passieren, dass man sich seines Lebenssinns entzogen fühlt und sich die Frage stellt: Wofür lebe ich, wenn nicht für die Möglichkeit des Rauschs, die Atmosphäre im Konzertsaal, das Nicht-Sichtbare, den Applaus, die Liebe und Bestätigung, den nonverbalen Austausch mit anderen Musiker:innen oder dem Publikum, das gemeinsame Bier nach dem Konzert? Was bin ich ohne meinen Beruf?
„Es drängt sich die Frage auf, ob ich für das Konzept Konzert übe oder für den Selbstzweck der Musik.“
Man kann natürlich feststellen, dass ein paar Elemente unserer Tätigkeit immer noch möglich sind. Üben geht – vorausgesetzt, es geht zuhause. Doch wofür? Es drängt sich die Frage auf, ob ich für das Konzept Konzert übe oder für den Selbstzweck der Musik.
Edler wäre es, das Konzert nicht zu brauchen, den Applaus nicht zu brauchen, einfach nur erfüllt zu sein von der Musik an sich. Einfach an ihr zu arbeiten, um die Noten auf dem Papier zu interpretieren und zum klingen zu bringen. Ich kann von mir sagen, dass ich diesen Aspekt in jedem Fall schätze und es als persönliche Herausforderung sehe, mir diesen Selbstzweck wieder einmal bewusst zu machen. Doch es reicht nicht. Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe. Künstler:innen geben, nehmen und erleben diese Liebe oft auf der Bühne. Nun besteht eine Identität im gesunden Falle ja nicht allein daraus, Künstlerin zu sein. Doch wie geht man jetzt damit um, wenn man merkt: Ups, ich mache ja andere Dinge gerade viel lieber als zu üben? Die Frage stellt sich normalerweise nicht so oft, denn das nächste Konzert, ein bisschen Druck im Nacken, das gibt’s ja immer. Gerade stellt sich diese Frage jeden Tag: Ich kann jetzt üben… Ich könnte aber auch… Sollte mir meine übliche Tätigkeit denn nicht ein bisschen mehr fehlen? Warum bin ich viel lieber draußen, fange lieber an zu töpfern, lese lieber ein Buch über ein ganz anderes Thema, schreibe Texte, beginne einen Podcast? Was bin ich ohne meinen Beruf? Sehr viel. Das kann schön und gleichzeitig beängstigend sein.
Solche Gedanken beschäftigen uns zu dieser Zeit ebenfalls. Und natürlich gab es am
Musiker:innenalltag auch schon vor Corona einiges festzustellen. Ob das nun amüsanter, zermürbender oder einfach angenehmer Natur ist – um diesen Kosmos kreist unser Podcast. Manchmal laden Thomas und ich auch einen Gast ein, um Einblicke in das Leben anderer zu gewinnen und zu ermöglichen. Die Idee des Podcasts hat mich, glaube ich, letztendlich wegen der Unmittelbarkeit dieses Formats und der dadurch entstehenden Nähe begeistert. Ganz abgesehen von meinem persönlichen Bedürfnis, sich auszutauschen, Neues zu erfahren und mit anderen zu teilen, hat der Klassikbetrieb gerade im Bezug auf Nahbarkeit meiner Meinung nach noch einiges vor sich. Ich würde durch diesen Podcast gern mehr Nähe herstellen, da klassische Musik mir selbst eben so nah geht. So versuchen Thomas und ich den Spagat aus Entertainment und Ernsthaftigkeit. Wer sagt eigentlich, dass sich das widersprechen muss?
Beitrag von Teresa Emilia Raff