Wie soll ein Titel für einen Jahresrückblick für das sonderbare Jahr 2020 lauten? „Danke, 2020“? „Wir freuen uns auf 2021“?, oder sogar „zum Glück vorbei: 2020“? Tatsächlich ist letzteres für das Jahr 2020 der jnp nicht wirklich passend. So sehr wir bedauern, dass wir fast alle normalen (was ist das schon?) Orchesterprojekte im vergangenen Jahr coronabedingt absagen mussten und damit auch unser 10-jähriges Jubiläum anders verlief, als geplant: Wir sind dankbar, dass dank der Kreativität und des Tatendrangs unseres lieben Teams auch 2020 viel Neues und Schönes entstanden ist. Doch beginnen wir der Reihe nach.
#1 #epicnewyear: das Silvesterprojekt
Kaum zu glauben, aber wahr: Wir haben 2021 mit einem analogen Orchesterprojekt eingeläutet. Mit unserem ehemaligen Konzertmeister Jakob Lehmann am Pult, gefeierten Konzerten in der Hamburger Elbphilharmonie und auf Kampnagel. Nicht zu vergessen: eine epische Silvesterparty in der legendären Schule am Holzdamm. Rückblickend sind wir umso dankbarer, dass wir das erleben durften.
#2 hinter der bühne: der Podcast
Eines der ersten Projekte, die unser Team nach den ersten abgesagten Projekten realisiert hat, war der Podcast „hinter der bühne“ von Teresa Raff und Thomas Pfaffinger. Die beiden hatten Lust, mithilfe dieses Mediums und neuer, freigewordener Zeit Gespräche über klassische Musik zu führen. Nicht als wissenschaftliche Abhandlung versteht sich, sondern von der Couch für die Couch. Teresa und Thomas wollen ihre Begeisterung für (klassische) Musik mit ihrer Generation teilen, über das sprechen, was sie bewegt und sich mit Musiker:innen unterhalten, die sie begeistern. Hier hat Teresa über die Entwicklung des Podcasts berichtet.
#3 #jnpsemester: unser Lockdown-Programm
Unmittelbar nach der Absage unserer geplanten Projekte im weiteren Jahr 2020 war für die „junge norddeutsche“ klar: Wir brauchen etwas, das unsere Musiker:innen begleitet und sie miteinbezieht, auch ohne regelmäßige Konzerte. Das #jnpsemester war von Mai bis Juli unsere Antwort darauf. Wöchentlich versorgten wir über 300 Musiker:innen mit virtuellen Vorträgen und Diskussionsrunden, kleinen und großen redaktionellen Beiträgen, sowie Challenges gegen den Corona-Blues. Themen von Kulturförderung über Multikulturalität, Audience Development, virtuelle Teamkommunikation, das tägliche Üben, oder eine gemeinsame Playlist – Lockdown heißt nicht Stillstand und hat Gelegenheit dazu gegeben, über Themen zu sprechen, die uns als Orchester schon seit einiger Zeit auf dem Herzen lagen.
#4 Trikestra: das 360 Grad-Konzert
Eigentlich hätte dies eine multimediale Klangperformance im Vollgutlager Berlin werden sollen, gemeinsam mit dem Deutschen SymphonieorchesterBerlin und dem STEGREIF.orchester. Nur ungern wollten wir auf die musikalische Begegnung der drei Klangkörper verzichten und inszenierten diese folglich im virtuellen Raum. Binnen weniger Tage studierten 70 Musiker:innen der drei Ensembles einen Satz der 6. Beethovensinfonie ein. Die heimisch produzierten Aufnahmen wurden Teil eines virtuellen Orchesters, das inmitten einer virtuellen 360-Grad-Fantasielandschaft des Videokünstlers Lucas Gutierrez musiziert. Mit seiner Kunst macht Lucas eine komplett neue Dimension auf, die es so auch analog nicht gegeben hätte. Wir haben das Konzert nicht digital ersetzt, sondern etwas ganz neues daraus gemacht. Hier könnt ihr mehr über das Projekt lesen.
#5 1:1CONCERTS: intimes Konzerterleben
Ein Livemusik-Projekt, das wir in auch diesem besonderen Jahr durchführen konnten, waren die 1:1 CONCERTS in Hamburg und Hannover. Die Kleinstversion eines Konzerts; ein Mensch spielt Musik, ein Mensch hört zu. Wortlos und ohne angekündigtes Programm, für zirka zehn Minuten nach einem eröffnenden intensiven Blickkontakt. Als erstes Jugendorchester schlossen wir uns der mittlerweile weltweiten Initiative an, um neben boomenden digitalen Konzerterlebnissen pandemiegerechte Livemusik zu ermöglichen und dabei freischaffende Musiker:innen durch Spenden von Zuhörer:innen zu unterstützen. Als Bühne dienten uns Kunstmuseen, Ateliers, Hausboote, Privatwohnungen oder Buchhandlungen dank der Unterstützung durch eine Vielzahl von Gastgeber:innen. Weitere Locations sind bereits ausgesucht und gehen 2021 an den Start. Genaue Daten und Details zur Buchung werden hier veröffentlicht.
#6 DETECT Classic Festival: stillstehen gibt’s nicht
2020 war nicht das beste Jahr für überfüllte Tanzflächen, großes Sinfonieorchester und lange Gespräche mit Hinz und Kunz. All das wäre Teil des Detect Classic Festival gewesen und kommentarlos das Jahr 2020 an uns vorbeiziehen lassen stand für uns nicht zur Debatte. Wir wollten Inhalte schaffen, die ein wenig Ruhe ins Geschehen bringen und so entwickelte unser Festivalteam die Detect Classic Sessions in Kooperation mit den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern. Ein Festival, nur in ganz, ganz klein. All das kann man sich auf dem Sofa bei einer heißen Tasse Tee anschauen und zwar hier! Es waren bereits tolle Künstler:innen wie Simon Höfele und Hania Rani zu Gast und mehr werden folgen! Gleichzeitig war die Zeit reif, ein neues Ensemble ins Leben zu rufen. Das Detect Ensemble verkörpert die Idee des Festivals in einem Klangkörper. In der Verbindung von elektronischer und zeitgenössischer Musik geht es vor allem um eines: Zuhören. Für die Premiere wurden Tracks von Produzent Roman Flügel arrangiert und das Ergebnis wird schon bald im Rahmen der Detect Classic Sessions zu hören sein.
#7 Jubiläumstour: Live und in Farbe
Diesen Sommer kamen ausnahmsweise mal keine Musiker:innen zum Projekt, sondern das Projekt in Form einer Team-Delegation zum Orchester. Das „jnp-Mobil“ als Oldtimer-Wohnwagen fuhr mit kleiner Besetzung quer durch Deutschland, um Wegbegleiter:innen, Musiker:innen und Freund:innen der jnp zu treffen, Visionen zu diskutieren, in Erinnerungen zu schwelgen und Erfahrungen auszutauschen. Herausgekommen sind neben wunderschönen Begegnungen auch Portraits und Geschichten über die Menschen, die wir getroffen haben. Die Gespräche resonieren immer noch und liefern uns Stoff zum Nachdenken über Lebenswege, die Musikwelt und unser Orchester. Mehr dazu in diesem Beitrag von unserer Fotografin Sophia.
#8 Freischütz-Dreh: Musik im Hamburger Wald
Ende Februar 2021 wird Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ in unserer eigenen Fassung im Konzerthaus Berlin auf die Bühne kommen. Das Projekt hat allerdings schon längst gestartet, und zwar im August 2020 in einem Wald in der Nähe von Hamburg, passend zum wichtigsten Schauplatz der Oper. In der Natur und in Wolf Kerscheks Studio
entstanden Ton- und Videoaufnahmen, die Schluchten und Lichtungen möglichst plastisch, irgendwo zwischen Refugium und existenzieller Bedrohung, ins Konzerthaus bringen sollen. Gegen alle Widrigkeiten, die der Konzertbetrieb zurzeit bestreiten muss, werden wir so im Februar mit vollem Orchestersound hoffentlich im Konzerthaus zu hören sein.
#9 Würth-Preis: Preisträgerin jnp
Last but not least: 2020 wurde die junge norddeutsche philharmonie stolze Preisträgerin des Würth Preises, verliehen durch die Jeunesses Musicales Deutschland! Im Zuge dessen schreibt die JMD hier: „Zum 10-jährigen Bestehen dieses jungen, dynamischen und mutigen Orchesters, das sich seit 2018 der Schirmherrschaft von Bundespräsident a.D. Joachim Gauck erfreut, zeichnet es der Würth-Preis der Jeunesses Musicales Deutschland dafür aus, eine neue Musiker:innen-Generation mit Selbstinitiative, Tatendrang und neuen Aufführungsformaten zu begeistern und damit Impulse zu geben, den Klassik-„Betrieb“ verantwortungsvoll weiter zu entwickeln und „Zukunftsmusik von heute” zu gestalten.“ Wir bedanken uns für diese große Ehre und Auszeichnung!
Damit verabschieden wir uns von diesem sonderbaren Jahr und danken allen Musiker:innen, Möglichmacher:innen, Wegbegleiter:innen und unserem gesamten Team für die Unterstützung im vergangenen Jahr. Dank euch war 2020 kein luftleerer Raum, sondern ein Jahr voller Erfahrungen und neuer Möglichkeiten. Wir freuen uns darauf, 2021 wieder auf der Bühne zu stehen und mit euch gemeinsam tolle Projekte zu rocken. Mit Proben, Konzerten und warmem Lübzer.
Beitrag von Louise Engel mit freundlicher Unterstützung von Elisabeth von Kalnein, Teresa Raff und Marlene Schleicher
Titelbild von Laura Kunzelmann