„Üben!“ ist wohl die häufigste Antwort, die ich während meines Musikstudiums gegeben habe, wenn ich gefragt wurde, mit was ich den Tag verbracht habe. Und: „Wie? Wirklich jeden Tag mehrere Stunden?“ wurde häufig gestaunt, wenn ich Studierenden anderer Fachrichtungen aus dem Alltag an der Musikhochschule erzählt habe.
Das Üben prägt den Tagesrhythmus von Musiker:innen enorm, kann Spaß machen, zusammenschweißen, sich zum Perpetuum Mobile entwickeln und einen manchmal in den absoluten Wahnsinn treiben. Meist hilft ein konkretes Ziel, um den Übealltag möglichst effektiv zu gestalten: ein Entwicklungsschritt, den man vor Augen hat, besondere Konzerte, tolle Projekte, Probespiele, Wettbewerbe… Doch was passiert, wenn die Pläne der nächsten Monate auf unbestimmte Zeit gestrichen und verschoben werden? Was macht das mit dem Übeverhalten und der Motivation junger Musiker:innen? Im Rahmen des #jnpsemester haben wir eine kleine Befragung durchgeführt.
Über 80% der Befragten beschreiben eine Veränderung des Übeverhaltens seit Beginn der Kontaktbeschränkungen. Wie genau diese Veränderung aussah, ist sehr unterschiedlich. Vermehrt wurden Motivationsschwierigkeiten, Ziel- und Strukturlosigkeit genannt, andere beschrieben ein wesentlich effektiveres Übeverhalten, da Anfahrtswege und Termine wegfielen. Es wurde „Rapide von 100 auf 0, läuft aber seit ca 3-4 Wochen wieder an“ oder „Anfangs habe ich sehr viel mehr geübt, dann wurde es mit der Motivation sehr schwierig. Jetzt ist es fast so wie vor Corona“ geantwortet.
Auch die Motivation der Befragten hat sich aufgrund der Coronapandemie deutlich verändert und zeigt ein breiteres Spektrum auf. Über 80% der Befragten schätzten ihre Motivation vorher auf einer Skala von eins (sehr niedrig) bis fünf (sehr hoch) mit vier oder fünf ein. Seither schätzen nur noch gut 30% der Befragten ihre Motivation so hoch ein. Während die niedrigsten beiden Stufen in Frage 1 kaum gewählt wurden, schätzen seit Beginn des Lockdowns über 40% der Befragten ihre Motivation mit sehr niedrig (1) oder niedrig (2) ein.
Auch auf die Frage, weshalb sich die Motivation verändert hat, wurde sehr unterschiedlich geantwortet. Mehrfach wurden fehlende Ziele, Konzerte und Orchesterprojekte genannt. Kurzer Einschub aus dem jnp-Hauptquartier: die Projekte und euch vermissen wir auch! Sehr!
Meine Motivation ist phasenweise sehr hoch, phasenweise niedrig. Das liegt an den fehlenden Zielen und Konzerten und dass ich nicht mehr bzw. begrenzt mit anderen musizieren kann, was das ist, das ich liebe am üben. Gemeinsam üben. Außerdem fehlt mir die Inspiration von anderen, die ich mir jetzt woanders suchen muss und der regelmäßige Input meines Profs und meiner Klasse.
Gründe für eine steigende Motivation wurden teilweise auch genannt: „Seit Corona hab ich mehr Zeit um entspannt zu Üben!“ heißt es beispielsweise, oder „Weniger Stress, Ruhe und Zeit zum Nachdenken“. Außerdem fragten wir die Musiker:innen nach ihren Top-Motivationstipps. Die Antworten zauberten mir ein Lächeln ins Gesicht. Vom völlig pragmatischen: „anfangen“ oder „Die Konkurrenz schläft nicht. Es gibt irgendwann wieder Konzerte!“ über konkrete Übepläne und Vorspiele für die Mitbewohner:innen bis zur Pausenbelohnung im jnp-Style „Kekse und Mate“.
Ich finde es wichtig, die Beziehung zur Musik aufrechtzuerhalten. Ich gehe gerne spazieren und höre dabei Musik oder spiele zu Aufnahmen und improvisiere. Außerdem tausche ich mich über Musik mit meinen Freunden aus, bitte sie, mir ihre Lieblingsstücke zu schicken und sende meine Lieblingsstücke weiter. Traurigerweise habe ich festgestellt, dass viele meiner Freunde fast gar keine Musik mehr hören.
Einen separaten ‚Arbeitsplatz‘ finden, und wenn es nur die Küche ist. Früh aufstehen und viele Pausen machen, die man mit leckerem Essen oder Rausgehen verbindet. Abwechslung in den täglichen ToDos
Routine! Dann fühlt sich der Alltag halbwegs ’normal‘ an. Und neben dem Üben auch Projekte durchziehen für die man sonst keine Zeit hat, wie Zimmer neu streichen, irgendwas kompliziertes backen etc.
Danke für den Einblick, den ihr uns in euren Alltag gewährt habt. Die Pandemie hat für unterschiedliche Entwicklungen im Üben gesorgt. Es ist aber schön zu lesen, wie man doch noch das Beste aus der Situation machen kann. Und traurig-glücklich macht es uns, davon zu lesen, dass die Projekte und Gemeinschaft fehlen. Genau für diese Gemeinschaft macht das Team nämlich, was es macht.
Wir wünschen euch, dass ihr es schafft, das Beste aus der Zeit zu machen und euch so sehr zum Üben motivieren könnt, dass es euch damit gut geht. Seid nicht zu streng zu euch selbst und genießt die Zeit, ohne schon wieder das nächste Probespiel im Hinterkopf zu haben, so gut es geht. Lest ein gutes Buch, macht Sport, nehmt euch Zeit für eure Liebsten, hängt einfach mal rum. Vielleicht lohnt es sich sogar, die eigenen Routinen eine Weile zu unterbrechen, um dann wieder mit neuen Eindrücken und frischem Kopf durchzustarten.
Beitrag von Nora Held
Titelfoto von Sophia Hegewald