„Gustav Mahler ist einfach Bae“ – ein flapsiger, scherzhafter Kommentar oder die Liebeserklärung an einen Komponisten, verpackt in den Sprachgebrauch eines jungen Musikers? Jedenfalls hat mich diese Aussage schmunzeln lassen, als wir von unseren Musiker:innen wissen wollten: Wie ist ihr Bezug zu Komponist:innen, mit deren Werken sie sich beschäftigen? Diese anonyme Umfrage haben wir im Rahmen des #jnpsemesters durchgeführt, ein Programm, das die Musiker:innen der jungen norddeutschen philharmonie während der Coronakrise begleitet.
Über welche drei Komponist:innen weißt du am meisten?

Mozart, Bach, Beethoven – mindestens 77% der Befragten haben sie als mindestens einen von drei Komponist:innen angegeben, über die sie am meisten wissen. Anhand der Ergebnisse hat sich auch gezeigt, dass je mehr sich die Musiker:innen mit den Lebensgeschichten von Komponist:innen beschäftigen, desto mehr Wissen erwerben sie auch über Komponist:innen, deren Lebensgeschichten weniger bekannt sind. Im Klartext heißt das: Wenn jemand etwa „Mozart, Bach, Beethoven“ als die drei Komponisten angegeben hat, über die er oder sie am meisten weiß, war das tendenziell eher eine Person, die sich weniger mit Komponist:innen beschäftigt. Natürlich ist das (so wie alles in diesem Text) nur Statistik und soll nicht heißen, dass man kein Musikkenner ist, wenn man ein Faible für diese drei Meister hat. Spannend fand ich das Ergebnis aber allemal.
Wenn ich mich mit der Biographie eines/einer Komponist:in auseinandersetze, tue ich das meistens, weil…

Bei dieser Frage wollte ich untersuchen, warum sich jemand mit Komponist:innen-Biografien auseinandersetzt und welchen Einfluss diese Gründe darauf haben, ob tatsächlich eine Auseinandersetzung mit den Komponist:innen stattfindet, an deren Werk sie gerade arbeiten. Allein die Ergebnisse in obiger Abbildung deuten bereits an, dass sich die Musiker:innen eher damit auseinandersetzen, wenn ihre Motivation dafür von innen heraus kommt, wenn sie selbst darauf Lust haben oder sie es wichtig finden. Darüber hinaus hat sich in den Antworten gezeigt: Musiker:innen, die Lust haben, sich mit Komponist:innen auseinanderzusetzen haben eine 50% höhere Wahrscheinlichkeit dies auch zu tun, als die Gesamtheit der Befragten.
Ich finde es wichtig, mich mit der Biografie des/der Komponist:in auseinanderzusetzen, deren Werk ich gerade spiele

1 = stimme überhaupt nicht zu
Ich finde es wichtig, mich mit der Entstehungsgeschichte und den Hintergründen des Werkes auseinanderzusetzen, das ich gerade spiele

Unabhängig davon, wie wichtig du es findest: Setzt du dich mit der Biografie des/der Komponist:in auseinander, deren Werk du gerade spielst?

… und mit der Entstehungsgeschichte des Werkes?

Knapp 70% finden es wichtig (Antwort ≥ 4), sich mit dem/der Komponist:in des Werkes auseinanderzusetzen, das sie gerade spielen. Bei der Entstehungsgeschichte des Werkes finden das sogar rund 85%. Für 42% der Befragten ist dabei die Entstehungsgeschichte eines Werkes wichtiger als die Lebensgeschichte des/der Komponist:in.
Für mich, als Bassistin, war es sehr interessant von der Legende von „El Drago“ (dem Bassisten/Kontrabassisten Domenico Dragonetti) zu hören, der angeblich damals Beethoven auf dem Bass vorspielte und diesen so beeindruckte, dass Beethoven daraufhin das große Bass(/Cello)-Solo in der 9. Sinfonie komponierte. Alles nur eine Legende, aber für uns Bassisten irgendwie doch eine schöne Geschichte!
– Musiker:in
Ich finde es immer spannend, Ähnlichkeiten zwischen den Lebensumständen und Erfahrungen des Komponisten und meinen eigenen festzustellen, weil es dazu führt, dass ich mich auf eine ehrlichere Art und Weise ausdrücken kann. Ein Stück zu spielen ist dann nicht mehr nur Storytelling, sondern eine authentische Erzählung von etwas, das ich selbst kenne und erlebt habe.
– Musiker:in
Allerdings setzen sich nur knapp 40% derer, die dies wichtig finden, tatsächlich mit dem/der Komponist:in auseinander. Kann man daraus schließen, dass sie sich weniger mit Komponist:innen beschäftigen, als sie es selbst gerne hätten? Knapp 80% der Befragten haben diese Lücke wohl erahnt und sind der Meinung, Musiker:innen sollten sich vermehrt mit der Lebensgeschichte von Komponist:innen beschäftigen.
Ich finde, Musiker:innen sollten sich vermehrt mit der Lebensgeschichte von Komponist:innen auseinandersetzen

Mir macht es Spaß, mich mit der Biographie von Komponist:innen auseinanderzusetzen

Doch wie gelingt der Zugang zum/zur Komponist:in am besten? Auch dazu haben unsere Musiker:innen ihre Geheimtipps geteilt. Neben Filmen und Büchern über Komponist:innen, den Austausch mit Lehrer:innen, sowie Werkseinführungen in Notenausgaben, hat mich ein Beitrag besonders überrascht:
Liebesbriefe von Komponisten zu lesen ist auch sehr augenöffnend. Aber leider kann man die Musik von manchen Komponisten nicht mehr so richtig genießen, wenn man erfährt wie eklig manche drauf waren.
– Musiker:in
Diese Erfahrung kann ich persönlich bisher noch nicht teilen, aber ich werde dazu recherchieren, ganz sicher! Darüber hinaus rät ein:e Musiker:in, sich auch Einblicke in Sprache und Kultur des/der Komponist:in zu verschaffen, da dies ebenso für die Tonsprache aufschlussreich sei.
Wer noch den ein oder anderen Buchtipp dazu braucht: Unsere Musiker:innen empfehlen „Der Lärm der Zeit“ (Julian Barnes über Schostakowitsch) oder „Good Morning, Mr. Mendelssohn“ von Rosemarie Marschner.
Beitrag von Louise Engel
Titelfoto von Sophia Hegewald